Verzicht – wenn aus weniger mehr für alle wird
20.04.2021
Was unseren Planeten angeht, leben wir auf ihm weit über unsere Verhältnisse. Längst schon. Will heißen, die Erde kann unserem auf Wirtschaftswachstum und Konsum fixierten Lebensstil nicht mehr gerecht werden. Die Schere zwischen dem, was wir als Menschen an Ressourcen verbrauchen und dem, was unser Planet leisten kann, klafft immer weiter auseinander.
Wir fällen mehr Bäume, als weltweit nachwachsen können. Wir produzieren mehr CO2, als Ozeane und Wälder zusammen weltweit absorbieren können. Wir fischen mehr aus den Weltmeeren, als deren Fischbestände in der Lage sind, sich in derselben Zeit zu regenerieren.
Unser ökologischer Fußabdruck ist abnorm groß: Momentan braucht es 1,7 Erden, damit wir unsere Ressourcennutzung im Gleichgewicht halten können. Machen wir unverändert so weiter wie bisher, benötigen wir bis zum Jahr 2030 zwei komplette Erden, damit wir unseren Bedarf an Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen decken können. Und bis zum Jahr 2050 wären es bereits knapp drei.
Wohin das führt, ist absehbar – wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen.
Schon heute zeichnet der Klimawandel ein deutliches Bild davon: Dürrekatastrophen, sich immer stärker erwärmende Ozeane, Unwetter unvorstellbaren Ausmaßes, abschmelzende Polkappen, ein erlahmender Golfstrom. Ausmalen will ich mir nicht, was in diesem Kontext in den nächsten 50, 70 oder 100 Jahren auf die Menschheit noch alles zukommen wird.
Und dennoch belasten wir unseren Planeten immer noch weiter, beuten ihn immer noch weiter aus, beginnen wir in unserem ungebremsten Rohstoffhunger auf Regionen zuzugreifen, die für uns bisher absolut tabu waren. Wie zum Beispiel die Antarktis.
Wir müssen Verantwortung übernehmen – im Kollektiv ebenso wie als Einzelner
Ich denke, es ist höchste Zeit für Besinnung. Für Rücksichtnahme auf etwas, das wir klug verwalten und nicht rücksichtslos auf Teufel komm raus ausbeuten sollten. Es ist höchste Zeit für die Übernahme von Verantwortung für das, was wir auf und mit unserem Erdball tun.
Denn eine Gesellschaft, die sich einen Lebensstil auf Basis natürlicher Ressourcen leistet oder besser, leisten muss, hat meiner Ansicht nach auch die volle Verantwortung für Umwelt und Leben zu tragen. Tut sie das nicht, wird ihr Bestehen wohl nur von sehr begrenzter Dauer sein.
In diesem Kontext muss vor allem das „Dreigestirn“ Gesellschaft, Wirtschaft und Politik endlich aufhören, die Verantwortung für ökologische Fragen der jeweils anderen „Abteilung“ zuzuschieben, selbst weitgehend untätig zu bleiben und darauf zu warten, dass die jeweils beiden anderen vorangehen.
Nein, die politisch-ökologischen Maßnahmen auf nationaler Ebene reichen nicht aus, um unseren global betriebenen Raubbau an den Ressourcen dieser Erde in verantwortungsvolle und ökologisch vertretbare Bahnen zu lenken.
Nein, die Corporate-Social-Responsibility-Initiativen diverser Unternehmen reichen nicht aus, um dem Anspruch ganzheitlich-globaler Verantwortung gerecht zu werden. Die Wirtschaft insgesamt muss sich endlich als Teil der Gesellschaft verstehen und ihre Verantwortung dementsprechend breiter definieren als ausschließlich auf ökonomisch orientierten Return-of-Investment-Kennzahlen.
Natürlich lässt sich mit dem Thema Arbeitsplätze dagegen argumentieren. Dass bestehende gesichert werden und zudem trotz wachsender Weltbevölkerung auch für kommende Generationen ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten bereitstehen müssen.
Doch andererseits: Was sind Arbeitsplätze wirklich wert, wenn sie zwar einem Teil der Weltbevölkerung das Einkommen sichern, gleichzeitig aber die Lebensgrundlage für den weitaus größeren Teil ruinieren?
Und nein, „die“ Gesellschaft kann nicht einfach argumentieren, dass Politik und Wirtschaft letztlich dafür verantwortlich sind, dass wir maßvoller agieren und verantwortlicher mit unseren Ressourcen umgehen. Denn „die“ Gesellschaft sind wir alle – jeder Einzelne von uns. Jedem Einzelnen von uns obliegt somit der maßvolle und verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen dieser Erde.
Sicher, ökologisches Verhalten völlig individualisieren zu wollen ist nicht zielführend. Ebenso wie uns der Gedanke nicht weit bringen wird, dass vegane Ernährung, Flugverzicht und das Tragen von Second-Hand-Mode allein die Erderwärmung - und damit die drohende Klimakatastrophe - stoppen könnten. Aber dennoch ist es aus meiner Sicht fatal, wenn wir meinen, wir könnten uns als einzelnes Individuum völlig aus dieser Gleichung herauskürzen.
Die Ressourcen, die wir heute als Einzelne und damit wiederum im Kollektiv im Übermaß belasten und verbrauchen, werden uns morgen bitter fehlen. Lediglich der Müll, den wir heute ebenfalls im Übermaß produzieren, der liegt morgen ganz sicher auch noch herum – es sei denn, wir vermeiden ihn.
Jeder Einzelne muss hier seinen Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen – auf die eine oder andere Art und Weise. Und das nicht morgen, nicht bald – sondern jetzt.
Denn solange wir auf andere warten, die mit uns gehen, solange wir auf Vorbilder warten, die uns vorausgehen, solange wir auf Regelwerk und Technik warten, die Umwelt, Klima und Erde retten sollen, solange übernehmen wir keine Verantwortung, sondern wir geben sie ganz einfach an andere ab.
Doch wer sind diese „anderen“, von denen wir entsprechende Aktionen, Beispiele und Maßnahmen erwarten? Im Prinzip ist dies eine anonyme Masse, in der sich niemand auch nur im Geringsten angesprochen fühlt…
Letztlich kommt es also auf uns als einzelnes Individuum an, mit gutem Beispiel voranzugehen, und dort Verzicht zu üben, wo wir es können. Und dieser Verzicht ist in vielen Bereichen möglich, an die wir bisher nicht gedacht haben oder wo wir bisher glaubten, dass er gar nicht möglich ist.
Corona – Eine Pandemie erzwingt Verzicht
Die Corona-Pandemie legt ganze Volkswirtschaften lahm oder schränkt sie zumindest sehr stark ein – öffentliches und privates Leben inklusive. Flugzeuge bleiben am Boden, weniger Autos und Züge fahren, denn zahllose Menschen arbeiten nun von ihrem Zuhause aus. Cafes, Restaurants und Gastgärten sind schon seit Monaten geschlossen, Familienleben findet auf engstem Raum statt, in vielen Fabriken wurde die Produktion stark gedrosselt oder stehen die Maschinen gänzlich still, die Arbeitslosigkeit steigt.
Nein, das alles ist keine wünschenswerte Entwicklung und kann weder Grundlage, noch Ziel jeglicher Verzichtsüberlegungen in persönlicher, wirtschaftlicher, politischer oder gesellschaftlich-globaler Hinsicht sein.
Und doch kann diese Pandemie mit all ihren Opfern, die sie fordert und all den Nachteilen, die sie mit sich bringt, wegweisend für uns sein. Denn plötzlich sehen wir uns gezwungen, auf Dinge und Abläufe zu verzichten, von denen wir bisher felsenfest überzeugt waren, dass sie unbedingt notwendig und unersetzlich sind.
Dieser, durch Corona erzwungene Verzicht auf bisher notwendig geglaubte Abläufe zeigt bereits positive Auswirkungen, zum Beispiel auf unsere Umwelt. Lesen Sie hier einen interessanten Artikel in der Onlinepublikation „Focus Online“ dazu.
Konsum- und Wachstumsverzicht um jeden Preis?
Nein, es geht mir nicht um blindwütigen Verzicht um jeden Preis, ebenso wie blindwütiges Wirtschaftswachstum nicht das Maß der Dinge sein kann. Mir geht es um einen klug abwägenden, wohlüberlegten und verantwortungsbewussten Konsum- und Wachstumsverzicht. Einem Konsum- und Wachstumsverzicht, der sich an dieser einen Frage orientiert:
Wie schlimm ist der Verzicht auf Wirtschaftswachstum wirklich, wenn wir alle dafür zurückbekommen, dass wir auf diesem Planeten noch für sehr lange Zeit mit hoher Qualität, gesund und mit allem Notwendigen mehr als ausreichend versorgt, leben können?
Mir ist bewusst, dass dieser Artikel von mir die großen Lösungen schuldig bleibt. Was ich hier wollte, ist zum Nachdenken, Überdenken und Überlegen anregen, was wir als Einzelne und als gesellschaftliches Kollektiv tun müssen und können, damit unsere Erde für uns alle auch in Zukunft lebenswert bleibt.
Worauf würden Sie verzichten?
Wenn Sie vor der Entscheidung stünden, dass Sie auf etwas verzichten müssten, damit Sie selbst, Ihre Kinder, Enkelkinder und alle weiter nachfolgenden Generationen auf diesem Erdball gute Lebensbedingungen vorfinden können, worauf würden Sie heute – oder besser: jetzt sofort – verzichten?
Und was gewinnt Leo dadurch?
Am Ende der Einleitung zu diesem Artikel findet sich die Frage „Und was gewinnt Leo dadurch?“. Wahrscheinlich hat Sie der scheinbar zusammenhanglos dort stehende Satz zunächst irritiert. Hier des Rätsels Lösung, was, oder besser: wer mit dieser Frage gemeint ist.
Leo – eigentlich Leonard – ist unser fünf Monate alter Enkelsohn. Neugierig blickt er mit seinen blaugrünen Augen in eine für ihn vollkommen neue Welt. Eine Welt, die unsere Generation zusammen mit unserer direkten Nachfolgegeneration derzeit gestaltet und verändert. Und das leider nicht immer zum Besten für uns, die Umwelt und für zukünftige Generationen.
Es war Leo, der mich zu diesem Blogbeitrag über Verzicht inspiriert hat, zusammen mit der Nachricht über den Bau eines Flughafens in der Antarktis – hier finden Sie einen Artikel zu diesem für mich sehr fragwürdigen Projekt.
Der in vielen Bereichen als bereits gewissen- und verantwortungslos zu bezeichnende Verbrauch von Ressourcen und die damit verbundene Ausbeutung und Zerstörung unseres Planeten, um an immer neue Rohstoffe zu kommen, stellt uns vor immer größere umweltbedingte Probleme.
Mehr denn je stehen wir in der Verantwortung dafür zu sorgen, dass die Erde nicht nur für Leo und seine Generation, sondern auch für Generationen darüber hinaus ein lebenswerter Ort bleibt.
Ich bin Wolfgang Fasching, Extremsportler, Seminarleiter und Vortragender, sowie Autor zahlreicher Bücher. Hier blogge ich zu Themen wie mentale Stärke, Erfolg, Führung und Selbstführung und darüber hinaus zu Themen, die mich persönlich beschäftigen.
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